Ein kleiner Blick voraus
Wie in einer sich verändernden Medienlandschaft die Zukunft von HEMPELS aussehen könnte
TEXT: MARIE MAUSOLF UND LIV SCHNOOR
Viele Printmedien sind angesichts der Entwicklung neuer digitaler Medien vom Aussterben bedroht. Überall denkt man über Alternativen nach, um auch in der Zukunft überleben zu können und eine breite Zielgruppe anzusprechen. Auch bei HEMPELS wird überlegt, wie das Straßenmagazin in Zukunft aussehen kann.
Überflüssig werden das Magazin und der damit verbundene Einsatz für wohnungslose Menschen auch in den nächsten Jahren wohl kaum sein. Denn immer mehr Menschen leben aus unterschiedlichsten Gründen auf der Straße und sind von Armut betroffen. In Schleswig-Holstein gelten 10.000 Frauen und Männer als wohnungslos. Seit etwa 2015 steigt die Zahl der Armutsflüchtlinge nach Deutschland stetig an. Das Straßenmagazin und der dazugehörige Verein bieten diesen Menschen Hilfe und eine gewisse materielle Existenz.
Die bloße Existenz des Magazins steht also nicht infrage. Aber wie werden Redaktion und Verantwortliche auf die schnell fortschreitende Digitalisierung reagieren? Der bargeldlose Zahlungsverkehr stellt die erste Hürde dar. Kanada und Amerika waren Vorreiter, die skandinavischen Nachbarländer machen es nach – dort haben Straßenmagazine beim Verkauf bereits auf solche Zahlungssysteme umgestellt.
Bei der möglichen Entwicklung hin zu vermehrt digitalem Erscheinen sehen Redaktionsleiter Peter Brandhorst und Vorstandsmitglied Jo Tein durchaus Chancen, aber auch Gefahren, weil dann der Dialog mit der Kundschaft wegfallen könnte. "Für jeden Verkäufer und jede Verkäuferin ist der persönliche Kontakt fast noch wichtiger als der kleine Verdienst. Es geht darum, wahrgenommen zu werden auf der Straße. Das kann ein Lächeln sein, die Frage nach dem Befinden oder eben auch mal ein geschenkter Becher Kaffee", erklärt Peter Brandhorst die Problematik, würden analoge Printausgaben wegfallen. Diese Gefahr bestünde immer bei Einführung einer PayPal-Bezahlung beispielsweise oder einer Umstellung auf Podcastformate und Co.
Trotzdem ist das HEMPELS-Team digitalen Ergänzungsformaten keineswegs abgeneigt. Seit August 2010 betreut Michael Boden im Offenen Kanal Lübeck ehrenamtlich das HEMPELS-Radio. Jeden ersten Montag im Monat, wiederholt am darauffolgenden Dienstag, ermöglicht die Sendung einen Einblick in soziale Themen sowohl aus der Zeitung wie aus der Hansestadt.
Auch einen Facebook-Kanal gibt es längst, weitere Formate sind im Gespräch. "Wir müssen uns hineindenken, wie wir digitalaffine Menschen erreichen, die gar nicht in die Einkaufsstraßen gehen oder unsere Verkäufer auch nicht beachten", betont Vorstand Tein. Und weiter: "Ich bin erst mal offen für alle Formate. Instagram und Twitter sehe ich da sicherlich. Die Kürze der Informationen ist dort natürlich problematisch. Es würde also eher in Richtung eines Blogs gehen. Und ob man das dann bei YouTube macht und dort Gesicht zeigt oder es einfach nur web-basiert ist, das müsste man gucken."
Im Fokus steht also, die Internetpräsenz weiter zu steigern, um mit der sozialpolitisch-kritischen Stimme des Magazins ein breiteres Publikum erreichen zu können. Jo Tein wünscht sich deshalb, in Zukunft noch stärker "politisch einzuwirken". Auch diese Nische wolle er bedienen und sozialpolitisch aktiver werden. Oft sei der Blick der Öffentlichkeit nur in der Vorweihnachtszeit auf die Wohnungslosen und Ausgegrenzten gesetzt, was Tein kritisiert.
In Schleswig-Holstein arbeiten zwischen 20.000 bis 30.000 Sozialarbeiter*innen, und genau dort sieht er Potenzial für noch stärkeren Einfluss des HEMPELS-Magazins. Tein möchte mehr Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Probleme und fordert konstruktive Aufklärung. Häufig sei die Schwierigkeit, dass Menschen und auch Journalist*innen größerer Medienhäuser von Missständen nichts wüssten. Sie seien nicht direkt betroffen und meist schenkten sie den Wohnungslosen kein Gehör.
Die Zukunft von HEMPELS bleibt somit spannend. Die Zeit wird zeigen, welche Formate sich als erfolgreich herausstellen.
Studierende der Kieler Christian-Albrechts-Universität haben im Sommersemester 2021 die bis dahin 25-jährige Geschichte von HEMPELS untersucht. Das Projektseminar am Historischen Institut leitete Professor Dr. Oliver Auge. Die Studierenden haben Unterlagen in HEMPELS-Archiven gesichtet, Interviews geführt – und ihre Ergebnisse in Artikeln wie diesem zusammengefasst.