Ende Dezember wurde in einem Erfrierungsschutzcontainer in Kiel ein Wohnungsloser getötet. Der 42-jährige Litauer war offenbar mit zwei anderen Bewohnern in einen Streit geraten, der für ihn kurz vor Mitternacht tödlich endete. Um die Hintergründe der Tat zu ermitteln, bittet die Kriminalpolizei nun die Öffentlichkeit um Mithilfe
TEXT: WOLF PAARMANN, FOTO: TILMAN KÖNEKE
Die Stadt Kiel hatte knapp zwei Wochen zuvor die Notunterkunft in der Adolf-Westphal-Straße um Kälteschutzcontainer erweitert, die bis zu 20 Menschen aufnehmen können. In dem Wohnkomplex sind derzeit 24 Container miteinander verbunden. 19 davon sind mit jeweils zwei Betten ausgestattet. Wer hier, im Shelter, übernachten will, muss sich bei der Stadt anmelden.
Drei weitere Container (einer für Frauen, zwei für Männer) dienen mit gemeinschaftlichen Schlafsälen täglich von 17.30 bis 9.30 Uhr als Erfrierungsschutz. Bei Bedarf werden auch die Türen für die Container Nummer 23 und 24, die dem Shelter vorgebaut sind, geöffnet. Wer hier vor der Kälte Schutz sucht, schläft auf dem Boden, eine Anmeldung ist nicht nötig. Ein Umstand, der auch die Arbeit der Kriminalpolizei erschwert, die nach Zeugen sucht (0431/1603333). Offenbar ist unklar, wie viele Männer sich in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2024 im Container aufgehalten haben. Eine Information, die "elementarer Bestandteil der Ermittlungen" ist.
Zum Zeitpunkt des Streits war kein Betreuungspersonal mehr vor Ort, lediglich der von Stadt eingesetzte und aus zwei Personen bestehende Wachdienst. Als der den auf dem Boden liegenden Litauer fand, informierte er den Rettungsdienst und dieser die Polizei. Als die Beamten um 23.50 Uhr am Tatort ankamen, war der Mann bereits tot. Laut Kieler Nachrichten (KN) soll das streitende Trio stark alkoholisiert gewesen sein. Das Amtsgericht Kiel erließ gegen einen der Tatverdächtigen, einen 25-Jährigen, Haftbefehl wegen Totschlags.
"Mit dem bewährten Erfrierungsschutzprogramm ergänzen wir seit Jahren unser umfangreiches Hilfsangebot für wohnungslose Menschen", sagte Kiels Sozialdezernent Gerwin Stöcken (SPD), als er Mitte Dezember das Schutzkonzept vorstellte. "Niemand sollte in unserer Stadt der Kälte schutzlos ausgeliefert sein." Was er nicht ahnen konnte, war, dass hier kurz darauf ein Mensch sterben sollte. Im Container.
Laut Stadtsprecherin Kerstin Graupner werde nach Abschluss der Ermittlungsarbeiten über notwendige Sicherheitsmaßnahmen entschieden. Eine vollständige Sicherheit könne aber nicht gewährleistet werden. "Alles war vorschriftsmäßig", sagte Graupner. "Es ist schwierig, sich gegen alle Eventualitäten abzusichern." Einen Rückgang der Übernachtungszahlen könne sie nicht feststellen, sagte sie eine Woche nach dem Totschlag. "Die Anlage wird weiterhin genutzt."
Es sei ihr bewusst, dass die Nutzung von Containern als Unterkünfte umstritten ist, sagt Anne Helm, Vorstandsmitglied im Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kiel. "Aber mit ihrer Betreuung lindern wir menschliches Leid. Erfrierungstod ist eine reale Bedrohung." Für das DRK Kiel, seit dem 1. Januar 2025 Träger der Notunterkunft in der Nähe des Arbeitsamtes, hätte die neue Aufgabe unter keinem unglücklicheren Stern beginnen können. Zuvor hatte die Stadt mit Living Quarter erstmals ein Unternehmen aus der Privatwirtschaft mit der Trägerschaft beauftragt. Die Berliner Firma hatte die Notunterkunft Anfang 2024 übernommen und nach übereinstimmenden Aussagen wohnungsloser Menschen die bereits niedrigen Standards weiter gesenkt. Sozialdezernent Stöcken beklagte in den KN zudem die "schlechte Erreichbarkeit der Verantwortlichen".
Die bundesweit aktive Living Quarter GmbH zieht dagegen eine positive Bilanz ihres ersten Engagements in Schleswig-Holstein. "Der Standort ist intensiver und vor allem positiv in das Stadtbild integriert worden", sagte Dennis Abraham, Geschäftsführender Geschäftsführer gegenüber HEMPELS. Es seien zudem diverse Hilfeleistungen etabliert worden, beispielsweise die Versorgung der Bewohnerschaft mit kostenfreien und vitaminhaltigen Getränken. Ein kostendeckender Betrieb sei angesichts der Vertragsbedingungen aber nicht zu gewährleisten gewesen, deshalb habe sich sein Unternehmen nicht um einen neuen Vertrag beworben. "Die Stadt hätte die Zusammenarbeit gerne fortgesetzt", sagte Abraham.